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Rüdiger Lainer + Partner © Bruno Klomfar Vienna Austria

ÖSTERREICH

So schön baut Wien mit Holz

Ein Artikel von Birgit Gruber (für Forstverein Niederösterreich und Wien bearbeitet) | 04.10.2021 - 12:32

Wien hat in den letzten Jahren wesentliche Schritte gesetzt, um den Holzbau in der Stadt voranzubringen. Mit der Techniknovelle 2007 wurden erstmals alle notwendigen Rahmenbedingungen festgelegt, die den Einsatz von Holz in der Gebäudeklasse 5 ermöglichen. Seit 2015 ist die Errichtung von bis zu sechs Geschossen in Holz ohne Brandschutzkonzept möglich. Diese Entwicklung zeichnete sich auch beim wienwood 2021 ab, der in diesem Jahr bereits zum dritten Mal von proHolz Austria in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien, der Stadt Wien und unterstützt von Wiener Städtische Versicherung ausgeschrieben wurde. Standen zu Beginn die konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten des Baustoffes Holz im Vordergrund und ging es darum, einzelne Pionierleistungen sichtbar zu machen, erweiterten sich laut dem Auslober das Spektrum und die Vielfalt der Gebäude in den Folgejahren. Insbesondere mehrgeschossige und großvolumige Gebäude in Holz- oder Holzhybridbauweise wurden errichtet, die Planungsteams und Bauherrschaften dieser Projekte wandten die konstruktiven, ökologischen und gestalterischen Vorzüge der Holzanwendung selbstverständlicher an. Darüber hinaus habe die Intensivierung der Bautätigkeiten in Wien aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums zur Neuentwicklung ganzer Stadtteile, zu Aufstockungen und zum Ausbau urbaner Dachlandschaften sowie zur vermehrten Errichtung von öffentlichen Bauten, wie etwa Schulen, geführt. Der „traditionell mineralische Osten“ ist laut der Juryvorsitzenden Gabriele Kaiser also auf dem Holzbauvormarsch. 

In den letzten 16 Jahren seit der Vergabe der ersten wienwood-Preise hat sich der Holzbau rasant entwickelt. Die Kombination verschiedener Holzbauweisen und Holzwerkstoffe erlaubt es längst, technisch und ökonomisch großvolumige und mehrgeschossige Bauten in Holz in der Stadt zu realisieren. Auch die Weiterentwicklung im Bereich der Vorfertigung sieht man den 56 eingereichten Bauten an. Sie alle weisen eine durchwegs hohe Ausführungsqualität auf und zeigen das gesamte Anwendungsspektrum des Holzbaus – vom temporären Möbel für den städtischen Raum über demontierbare Gewerbebauten bis hin zum stadtbildprägenden Hochhaus.


Architekturpublizistin und Juryvorsitzende Gabriele Kaiser

Vier Preisträger, ein Sonderpreis und sechs Auszeichnungen

Aus 56 eingereichten Projekten, die zwischen Juni 2015 und Juni 2021 in Wien fertiggestellt wurden, wählte eine namhafte Fachjury vier Preisträger, einen Sonderpreis und sechs Auszeichnungen aus. Das Preisgeld beträgt 12.000 € und wird unter den Gewinnern aufgeteilt. „Es ist erfreulich zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit der Baustoff Holz mittlerweile in der Stadt eingesetzt wird. Der Holzbau ist bereit für die breite Anwendung in Wien – von Aufstockungen und Sanierungen bis zu großvolumigen Projekten, wie Wohnbauten und Schulen. Die ausgezeichneten Projekte stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass Holz alle Anforderungen an urbanes Bauen erfüllt und hinsichtlich Effizienz, Ökologie und Gestaltung besondere Qualitäten einbringt“, freut sich Richard Stralz, Obmann von proHolz Austria.

Die Siegerprojekte

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Kindergarten Pötzleinsdorf © proHolz Austria / Bruno Klomfar

Kindergarten Pötzleinsdorf
Die drei Pavillons des städtischen Kindergartens inmitten eines idyllischen Parkschutzgebiets nehmen exakt die Position der eingeschossigen, zu klein und sanierungsbedürftig gewordenen Vorgängerbauten ein. Über der Fundierung in mineralischer Bauweise erheben sich zweigeschossige reine Holzbauten aus scheiben- und plattenförmigen Fertigteilen. Der hohe Vorfertigungsgrad (tragende Wände in Holzrahmenbauweise, Brettsperrholz-Elemente für Decken und Dach) ermöglichte eine kurze Bauzeit bei laufendem Betrieb. Der ökologische Gesamtansatz, die räumliche Großzügigkeit und die fachgerechte Ausführung des Holzbaus überzeugen bis ins Detail. Die lebendige Struktur der Lärchenholzfassade, die in den eingezogenen Loggien auch innenräumlich präsent ist, verstärkt die Naturverbundenheit der Häuser, die neun permanenten Gruppen und vier „Besuchsgruppen“ Erholung im Grünen bieten.

Standort: Pötzleinsdorfer Straße 230, 1180 Wien; Bauherr: Stadt Wien/Magistratsabteilung 10; Architektur: Schluder Architekten; Statik: RWT Plus; Holzbau: Handler Bau; Fertigstellung: 2018

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Wohnanlage Paulasgasse ©  proHolz Austria / Bruno Klomfar

Wohnanlage Paulasgasse
Diese Wohnanlage setzt ein wichtiges Signal: Nach längerer Pause hat eine gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft in Wien erstmals wieder eine größere Wohnanlage in Holzbauweise errichtet, was im Rahmen des straffen Kostenrahmens eindrucksvoll gelang. Der dreigeschossige Wohnbau mit Staffelgeschoss überzeugt mit seiner städtebaulichen Integrität, seinem differenzierten Freiraumangebot und seiner holzbautechnischen Umsetzung. Die vier Zeilen docken direkt an die Nachbarbebauung an und definieren ein durchlässiges Wohnquartier. Ein quer zu den Zeilen verlaufender offener Weg dient als Haupterschließung. Bis auf die betonierten Stiegenhäuser sind die Trakte reine Holzbauten aus vorgefertigten, voll gedämmten Holzrahmenbauwänden und Brettsperrholz-Decken. Im Inneren bleibt der Werkstoff teilweise an den Decken sichtbar, außen ist der Bau vollflächig mit unbehandeltem Lärchenholz verschalt.

Standort: Paulasgasse 22 – 24, 1110 Wien; Bauherr: Neues Leben; Architektur: Riepl Kaufmann Bammer Architektur; Statik: Merz Kley Partner; Holzbau: Kaufmann Bausysteme; Fertigstellung: 2016

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Ilse Wallentin Haus BOKU Wien ©  proHolz Austria / Bruno Klomfar

Ilse Wallentin Haus BOKU Wien
Das neue Bibliotheks- und Seminargebäude ist für die Universität für Bodenkultur der erste Holzbau im universitären Kontext an ihrem Wiener Standort. Der viergeschossige Holzskelettbau mit einem Holzanteil von 78 %, an dem schon außen das strukturelle Raster ablesbar ist, ruht auf einem Stahlbetonsockel mit Untergeschoss. Die Stützen sind aus Brettschichtholz, die Wände und Decken aus Brettsperrholz gefertigt. Die skelettartige Konstruktion umfängt einen aussteifenden Betonkern mit verschränkten Treppen. Im Inneren setzt sich das Fassadenraster an der Deckenkonstruktion fort: Die Materialsichtigkeit der Tragstruktur findet in der offen geführten Haustechnik ihre Entsprechung, die sinnliche Präsenz des Holzes schafft eine freundliche Lern- und Arbeitsumgebung. Die vollflächige Verglasung zwischen den Stützen lässt Tragwerk und Raum zu einem schlüssigen Ganzen verschmelzen.

Standort: Peter-Jordan-Straße 82, 1190 Wien; Bauherr: BIG – Bundesimmobiliengesellschaft; Architektur: SWAP Architekten und Delta Architektur; Statik: Bollinger Grohmann; Holzbau: Lieb Bau Weiz; Fertigstellung: 2020

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HoHo Wien ©  proHolz Austria / Bruno Klomfar

HoHo Wien
Das HoHo Wien ist mit seiner Gesamthöhe von 84 Metern das derzeit höchste Holzhochhaus in Österreich. Der Holzhybridbau überzeugt mit seiner Ausführungsqualität, seinem einfachen Grundkonzept und der strategischen Herangehensweise in der Planung sowie behördlichen Abstimmung. Gemeinsam mit der Stadt Wien haben Bauherren, Architekten und Fachplaner die Möglichkeiten des Holzbaus in dieser Gebäudeklasse beharrlich ausgelotet und realisierbare Lösungen, vor allem im Hinblick auf den Brandschutz, gefunden. Die Tragstruktur besteht aus fünf Komponenten: dem massiven Erschließungskern, Stützen aus Brettschichtholz, einem Kranz aus Stahlbetonrandträgern sowie vorgefertigten Wandelementen aus Brettsperrholz und Holz-Beton-Verbunddecken. Was in dieser Gebäudeklasse möglich war, sollte für niedrigere Gebäude längst selbstverständlich sein: Holzsichtigkeit an Wänden, Decken und Stützen. Von der schönen Raumwirkung kann man sich hier überzeugen.

Standort: Janis-Joplin-Promenade 26, 1220 Wien; Bauherr: AVV Investment GmbH; Architektur: Rüdiger Lainer + Partner Architekten; Statik: RWT Plus; Brandschutzplanung: Kunz – Die innovativen Brandschutzplaner GmbH; Holzbau: Handler Bau; Fertigstellung: 2019

Der Sonderpreis

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VinziDorf Wien © proHolz Austria / Bruno Klomfar

VinziDorf Wien
Das Wiener Architekturbüro gaupenraub +/– engagiert sich seit Langem in der Obdachlosenhilfe. Gemeinsam mit Pfarrer Wolfgang Pucher konnte es nun in Wien ein Wohndorf für langzeitobdachlose Menschen errichten. Auf einem Grundstück der Lazaristen in Hetzendorf wurde es mit einfachsten Mitteln und gespendeten Baumaterialien – Fenstern, Bodenbelägen und Fassadenplatten – errichtet. Das Ergebnis präsentiert sich nicht als Notlösung, sondern als Architektur, die Bescheidenheit nicht als qualitatives Hindernis begreift. Helfende Hände sind bei Projekten wie diesem essenziell: Die 16 Wohnmodule in Holzrahmenbauweise wurden von Schülerinnen und Schülern der HTL Mödling in den Schulwerkstätten vorfabriziert und am Bauplatz aufgestellt. Das VinziDorf Wien erhält wegen seiner sozialen Nachhaltigkeit und der pädagogisch wertvollen Praxiserfahrung im Rahmen einer HTL-Ausbildung einen Sonderpreis.

Standort: Boërgasse 7, 1120 Wien; Bauherr: Verein Vinzenzgemeinschaft Eggenberg; Architektur: gaupenraub +/–; Statik: werkraum ingenieure ; Holzbau: Holzbau Ruesch und HTL Mödling; Fertigstellung: 2019